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Artist statement

Die Welt ist Lärm. Und ich suche die Stille.

„In seinem Kunstschaffen verbindet Daniel Amin Zaman, selbst zur Hälfte indischer Abstammung, die jahrtausendealten indisch-philosophischen Spekulationen der Upanishaden, des Vedanta, mit „dem Westlichen“ und seinem Kunstschaffen.
Für den Künstler persönlich bedeutet diese Verbindung eine intime Ganzwerdung seiner lange widersprüchlichen Kulturbezüge und das Ende einer substanziellen Suche.
Zugleich ist die Entdeckung des Vedanta die Entdeckung „seines Indien“, die ihm ermöglicht, ohne esoterische Schwärmerei oder zivilisationspessimistische Verklärung, dessen immanente Betrachtungsweise, Lehre und meditative Grundstruktur in sein künstlerisches Schaffen zu überführen. Genauer, in eine künstlerische Praxis als Ritual.
Ihr Ziel: Die Auflösung.
Exakter: Die Auflösung dualistisch-trennender Unterschiede bis zur Ununterscheidbarkeit des Eins-Seins. Und zwar das Subjekt ebenso wie das Werk betreffend.
Die Methode: Das rituelle und ritualisierte „Sich-hinein-Verlieren“ und „Sich-Zurückziehen“ in und mittels der Wiederholung als „Leerformel“ respektive „Entleerungsformel“.
Es ist daher nachvollziehbar – und in dieser Form originär -, dass Zaman sein künstlerisches Tun und Reflektieren aus dieser Position als eine ununterscheidbar künstlerische wie rituell-kultische Praxis bezeichnet.
Für uns andere hingegen bedeutet das nicht weniger als die Konfrontation mit einer radikal und grundsätzlich anderen Betrachtungsweise eines monistischen Modells der „Nicht-Dualität“, das unsere gewohnte transzendent-dualistische Betrachtungsweise herausfordert und andererseits einem Kunstschaffen mit geradezu existenziellen Tiefgang.
Schließlich handelt es sich um die Formulierung einer Grundhaltung zur Welt, die nicht nur dem Künstler, sondern uns allen eine Basis zu bieten vermag; inmitten einer Zeit, in der alles, an das wir einmal geglaubt haben, in Bodenlosigkeit zu versinken droht.“

Die Upanishaden und ihre monistische, nicht-dualistisch philosophische Betrachtungsweise sind wohl die bewegendste, bedeutsamste und revolutionärste Entdeckung und Befriedung meines Lebens. Endlich hatte das andere in mir, das vertraute Fremde, mein Denken, mein Fragen eine Antwort gefunden, die mein Suchen in ein Finden umkehrte und meiner Kunst ihre letzte Bestimmung bescherte. Ich erahnte zuerst und erkannte später, warum ich tat, was ich bisher tat und tun wollte, was ich war, ohne es gewesen zu sein und dass meine persönliche und künstlerische Heimat in dem verborgen lag, das ich mir viel zu lange nicht eingestanden hatte. Wie seltsam abwegig ist es schließlich, sich selbst außerhalb seiner selbst zu suchen und finden zu hoffen? Und wie folgenschwer das Streben und Werden auf ein dualistisch getrenntes Anderes hin, das dem Selbst, so wie es ist, kontinuierlich einen Mangel diagnostiziert und mit dem Defizit operiert?

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[Ausführungen, Anmerkungen des Künstlers]

Advaita-Vedanta

Die Upanishaden als schriftlich überlieferte Sammlung an philosophischen Erkenntnissen, Darlegungen und Lehrgesprächen – seitens Frauen und Männern – bilden das Fundament des Vedanta. Dieser bedeutet wörtlich das Ende der Veden (aus veda = Wissen, anta = Ende) und markiert den essenziellen, „krönender Abschluss“ einer jahrtausendealten Entwicklung philosophischen Reflektierens über Wahrheit, Erkenntnis und die Spekulation einer unwandelbaren Wirklichkeit jenseits „unserer“ Wirklichkeit. 
Seine grundsätzlich und alles verändernde Betrachtungsweise besteht – entgegen unserer traditionellen dualistisch-transzendenten Betrachtungsweise – im metaphysischen Konzept eines monistischen Modells und im Falle des Advaita-Vedanta dem Konzept der Nicht-Dualität.
Dieser Position folgend lassen sich alle Phänomene auf ein einziges Grundprinzip zurückführen, das als „Brahman“ artikuliert alles durchdringt; als Einheit jenseits der Vielheit und Unterschiede. Vergleichbar mit Spinozas – ebenfalls monistischen – Substanzbegriff, ist es ungeschaffen (causa sui); dasjenige, „was in sich ist und durch sich begriffen wird und dessen Begriff nicht den Begriff einer anderen Sache zu seiner Bildung braucht.“
Es ist also nicht (erst) das  Produkt unserer Projektionen und Attributionen, sondern von uns unabhängig, uns vor-geordnet, vor-begrifflich und vor-bildlich. Ein Allgegenwärtiges, das sich in seiner Allgegenwärtigkeit verbirgtjenseits der Begriffe, Bilder und Vorstellung, mit denen man es zu beschreiben sucht, dabei aber zu einem subjektiven Geschöpf degradiert.

Insbesondere die Vorstellung der wesensidenten Gleichsetzung und des Einsseins von Atman (dem innersten Sein des Menschen) mit dem Prinzip des Brahman auf der Tiefenebene eines irreduziblen Seinsgrunds, gilt dabei als die originäre Kernlehre der Upanishaden. Vereinfacht heruntergebrochen: Ist das egoistische Ich als Bedingung und Bedingtheit erst einmal aufgelöst, bleibt das vom Brahman ununterschiedene Selbst.

Ich täusche mich, also bin ich. Noch mehr bin ich, wenn ich die Täuschung erkannt habe. Wahrhaftig bin ich, wenn ich die Täuschung hinter mir gelassen habe.
Seine philosophische wie rituelle Praxis bezieht der Vedanta aus einer erkenntnistheoretischen
(Selbst-)Reflexion, die -egal, ob westlich oder östlich gedacht -, das Subjekt als die nicht hintergehbare Instanz der Erkenntnis erkennt. Das Subjekt ist Bedingung und Bedingtheit. Bedingung der Erkenntnis und Bedingtheit des Erkannten – insofern letzteres nicht das ist, was es ist, sondern das, was uns entsprechend unseren beschränkten und gestaltgebenden Erkenntnismöglichkeiten gegeben ist.

Das von uns Erkannte ist somit zwangsläufig das Produkt unserer Projektionen, ein Bild, das wir uns davon machen und eine zu uns relative und (bloß) subjektive Erkenntnis. Noch spitzer formuliert: Es ist eine Selbsttäuschung im Sinne der Täuschung durch das eigene Selbst. Und umso mehr, als wir diese Täuschung für wahr halten. Das subjektiv Erkannte ist eine Ein-Bildung.

Umgekehrt gilt die in diesem Sinne verstandene „Selbst-Erkenntnis“ des Ich als epistemologische Bedingung und Bedingtheit als die substanzielle (Grund-)Erkenntnis von Erkenntnis.
Das dualistisch denkende Subjekt – das sich selbst jene Differenz ist, die es von der letzten Erkenntnis trennt – wird zum Dreh- und Angelpunkt innerhalb der metaphysischen Frage danach, was wir erkennen können.

Die Lösung drängt sich auf: Die Auflösung des geistig-dualistischen Subjektes als Instanz der Trennung im „Sich-Verlieren“ des repetitiven „Immer-Wieder“ ritueller Wiederholungen. 
Dadurch würde das „Ich-Sein“ auf sein ontologisches „Sein“ reduziert. Auf jenes, das bleibt, wenn jede Spur von Individualismus entfernt ist und worin alles, was Form und Name hat, das Höchste und Niedrigste, als Eines übereinkommt und verschmilzt.

Das Ziel der Upanishaden ist so betrachtet eine Edukation im lateinischen Wortsinn eines „Herausführens“ – aus dem Dualismus hin zum Nicht-Dualistischen. Der Dualismus soll gleichsam erwachsen werden. Und wir dem Dualismus entwachsen.

Der kulturanthropologische Blick erhellt, dass sich dieses Problem resp. diese Erkenntnis kulturübergreifend ähnelt und zu vergleichbaren Lösungsansätzen geführt hat: Wir praktizieren Rituale.
Ob Rituale der Ekstase, des Rausches oder der Trance, ob rhythmischer Gesang, die Rezitation bestimmter Formeln, Tanz, Gebet oder schweigende Meditation: Es handelt sich prinzipiell um dieselben lustvollen wie erkenntnisschaffenden Akte der „Selbst-Vergessenheit“, Hingabe und Vereinigung.

Anders aber zu vielen dualistischen Betrachtungsweisen, die mittels Rituale eine Verbindung zu einem „Anderen“ suchen, um dieses zu beeinflussen, handelt es sich bei nicht-dualistisch gedachten und praktizierten Ritualen aber eben um „Leerformeln“ respektive „Entleerungsformeln“, um ein „Sich-Hineinverlieren“ in etwas, das von uns ununterschieden ist. Es geht um die Auflösung des Trennenden. Kurzum: Es geht nicht um ein Suchen nach etwas, das von einem getrennt ist, sondern um ein Finden im Finden von etwas, das bereits immanent gegeben ist.

An diesem Punkt wird der substanzielle Unterschied zwischen dualistischer und nicht-dualistischer Betrachtungsweise ein weiteres Mal besonders deutlich.
Denn dualistisch gedacht bleibt „das metaphysisch Andere“ immer das von uns transzendent getrennt Andere. Es bleibt unerreichbar. Dieser Weg endet immer einen Schritt vor der Erfüllung. Die größte Sehnsucht – die der Einheit – bleibt verwehrt, während diese Frustration der Unerreichbarkeit und des Getrenntbleibens umgekehrt, zwangsläufig zu einem Gefühl des dauernden Scheiterns und der eigenen Unzulänglichkeit führt.

Nicht-dualistischen Betrachtungsweise sind davon vergleichsweise unberührt, da es keinen Unterschied gibt zwischen dem individuellen Selbst und der „universellen Wirklichkeit“, in die man sich hineinverlieren kann. Dieser Weg beschreibt eine Ent-Wicklung, die Freilegung eines uns immanenten Kerns, den man aus den Schichten wickelt, die uns von ihm trennen.
Diese Möglichkeit der Verwirklichung ermöglicht die intimste Begegnung des Größten und Allerkleinsten und Geringsten im innersten Winkel des gemeinsamen Seinsgrundes.
Er befreit vom Suchen und Werden-müssen. Im (ontologischen) Sein ist alles, das Namen und Form hatununterscheidbar ununterschieden.

Das „Immer-Wieder“ konsequenter Wiederholung als „Leerformel“ und „Entleerungsformel“ ist also kein Suchen- das Täuschung schafft-, sondern ein Finden. Aber auch nicht das eines Findens, das zu Finden sucht, sondern eines absichtslosen Findens im Finden.

Dabei will unbedingt betont sein, dass das metaphysische Konzept der Upanishaden/des Vedanta als Betrachtungsweise, Haltung und Praxis frei ist von jedwedem religiösen Dogmatismus und dem daraus resultierenden Anspruch der Erhabenheit anderen gegenüber. Sie hat nichts und schon gar nichts Missionarisches an sich. Vielmehr repräsentiert sie sich als ein gleichmütiger Ausdruck eines Handelns durch Nichthandeln. Als eine kontinuierlich meditative Entleerung und Versenkung mittels Repetition, das alles Oberflächliche und Banale zum Schweigen und zum Stillstand bringt, um der beredten Stille zu lauschen, in die Tiefe zu schauen und dem Weg einer Ent-Täuschung (also der Befreiung von Täuschung) und des „Zu-Grunde-Gehens“ zu folgen, wo sich die Leere als die wahre Fülle erweist, weil die wahre Fülle leer ist. 

Die Negation als Bejahung
Ausdrücke wie „Auflösung“, „Enttäuschung“, „Zu-Grunde-Gehen“ und „Leere“ gelten in unserem Sprachgebrauch als negativ konnotiert. Ganz anders in der Tradition der Upanishaden oder auch des sich von deren Betrachtungsweise abgeleiteten Buddhismus, sowie anderen als „mystisch“ deklarierten Schulen des östlichen Denkens. Dort gilt die Verneinung – im Sinne der Verneinung der Täuschung und Illusion – eine Bejahung, die Hinwendung und Vereinigung mit dem „Wahren“. 
Eine spekulative Hinwendung an eine „erste Wirklichkeit“, die im Übrigen auch in die jüdische, christliche, muslimische Theologie eingeflossen ist: Als „negative Theologie“ in Hinblick auf die Spekulation eines „deus absconditus“, eines verborgenen Gottes kennt, der nicht erst die Schöpfung unserer Projektionen ist.
Deswegen muss man „Gott“ verlieren, um ihn zu gewinnen. Man muss „von ihm lassen“, „gelassen werden/gelassen sein“, wie es Meister Eckhart postulierte, der ebenfalls das erkennende Subjekt als Bedingung und Bedingtheit in den Mittelpunkt stellt.
Ja mehr noch, man muss sogar davon lassen, „davon zu lassen“. 
Das deckt sich inhaltlich durchaus mit der Lehre der Upanishaden und der Leerformel des Findens im Finden, auch wenn die Folgen andere bleiben.

In diesem Zusammenhang ist auch der Blick auf die geschichtlichen Ursprünge des Vedanta erhellend – genauer: jenen frühen Veden, die als Codices für Opferrituale fungierten und sich bis zum „upanishadischen Abschluss der Veden“ (=Vedanta) zu einem „verinnerlichten Opfer“ gewandelt und emanzipiert hat.
Wer gewinnen will, muss (sich) verlieren.
Noch drastischer bringt es ein bekanntes buddhistischen Mondo auf den Punkt: „Wenn du Buddha triffst, töte ihn“.

Ritual und Werk
Rituale sind repetitiv formalisierte Vollzüge , die profane Handlungen – als auch den/die Handelnde – auf eine andere Sinn-, Zweck- und Bedeutungsdimension transponieren. Handlungsvollzüge, die sich in eine andere Bedeutungstiefe „hineinverlieren“ und dabei Sinn, Halt und Orientierung stiften.

Ein Werk hingegen – so es nicht performativ zur Aufführung kommt – ist keine Handlung; es ist das Ergebnis einer Handlung.
Durch mein äußerst streng gefasstes Konzept der Wiederholung vermag es mir jedoch zu gelingen, das Wiederholungsprinzip ins Werk zu überführen. Die Handlung bleibt in meinen Serien der Ähnlichkeit lebendig und in den Werken auf besondere Weise erhalten. Nicht im Sinne bloßer Ergebnisse einer Handlung – das würde auf jedes beliebige Werk zutreffen -, sondern als Relikt eines Rituals, das die Ergebnisse gleichsam auflädt und ihnen innewohnt, so wie die Vergangenheit als ehemalige Gegenwart in historischen Artefakten konserviert und erlebbar nachvollziehbar bleibt: Als Aura in der Definition Walter Benjamins „als einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“.

Kunst als Ritual
Alle Welt ist Lärm und ich suche die Stille.
Nichts hat mein Leben rückblickend mehr geprägt, als das intrinsische Bedürfnis, das Bewusstsein zu ergründen.
Ich betrachte das Ritual des „Sich-Verlierens“ in den formalisierten Vollzügen der Wiederholung als ununterscheidbar künstlerische wie kultische Praxis mit dem Ziel der Auflösung. Der Auflösung dualistischer Unterschiede bis zur nicht-dualistischen Ununterscheidbarkeit des Eins-Seins.

+ Zum einen die Auflösung des Subjekts als epistemologische Bedingung und Bedingtheit. Als Instanz der Trennung, Täuschung und des Dualismus.
+ Zum anderen die Auflösung der Einzelwerke auf semiotischer Ebene. Durch Wiederholung und Ähnlichkeit „verliert“ das Einzelzeichen seinen vermeintlichen Zeicheninhalt zugunsten einer darüberhinausgehenden „Aussage“. Signifikant und Signifikat verlieren ihre dualistische Differenz in Selbstzweck.
In und durch die handwerklichen, formalen Wiederholungen greifen die Werke über sich hinaus. Sie beschreiben eine gleichsam asymptotische Annäherung in Form sich wiederholender, zum Scheitern verurteilter Versuche, „etwas auszudrücken, das nicht zu fassen ist“ und dabei selbst zum Ausdruck werden. Sie haben keine Aussage, sondern sindAussage und fokussieren auf ihre subtilen formalen, zeitlichen und rhythmischen Unterschiede, auf die Leere und Pause zwischen ihnen: auf eine Differenz, die je subtiler sie ist, sich als umso substanzieller erweist und in eine Bedeutungsdimension jenseits des semiotischen Zeichens durchzudringen sucht.

Werk und Materialität
Neben der zahlenmäßigen Kumulation vermeintlich identer Werke, versuche ich in handwerklich-technischer Hinsicht die Auslöschung durch hochspiegelnde Bildoberflächen oder andere artifizielle Eingriffe zu unterstreichen.
Zudem gehört auch die Verwendung von alltäglichen, oft gefundenen Materialien und Techniken, die ich künstlerisch recycle resp. upcycle zu meiner künstlerischen Praxis. Dies dient nicht nur der konterkarierenden Auslöschung des „Kunst-Kunsthaften“ zugunsten der Betonung auf das Ritual, sondern auch mit Blick auf die „Improvisationskraft“ Indiens in ökologischer Hinsicht.
Darüber hinaus finden sich in meinen Arbeiten zahlreiche andere Referenzen, die formal, farblich, materiell und im Gestus auf „mein Indien“ als auch auf „mein Österreich“ verweisen und diese verknüpfen.
Nicht zuletzt spielen auch Gerüche und insbesondere Klänge immer wieder eine wichtige Rolle. Als reale Teile der Installationen und Inszenierung. Wie auch als Metapher meiner Werkserien, die ich gerne auch als „Gesänge“ („Songs how I see“) betrachte, die in der Wiederholung verklingen und dennoch weiterklingen, um die allgegenwärtige Stille hinter den Klängen mächtig werden zu lassen.