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„Die Welt ist Lärm. Und ich suche die Stille.“

Beim Schaffen von Daniel Amin Zaman handelt es sich um eine ununterscheidbare künstlerische wie kultische Praxis.
Seine Methode ist dabei die rituelle Wiederholung als „Leerformel“ zur Durchdringung der „Welt“ zugunsten einer – im Sinne Spinozas – substanziellen, dem betrachtenden Subjekt vorgeordneten Bedeutungsdimension.
Zentrale Begriffe sind folgerichtig für ihn die „Leere“, die Auflösung des Selbst (als epistemologische Bedingung und Bedingtheit) und das „Finden im Finden.

Getragen vom Wunsch, der Hoffnung und Überzeugung eines gleichsam „tieferen Sinns“ unter der oberflächlichen Banalität der Welt und des Lebens, beschreibt sein Schaffen einen rituellen Narrativ als auch ein persönliches Refugium und gleichermaßen „Einhausung in der Welt“* im Ausdruck seines – mit aller gebührender Ironie als „Zamanismus“ inszenierten – Habitats, in dem sein kulturelles Erbe, seine „Lehre“, sein Kunstschaffen sowie Kunstforschen hinsichtlich der Bedeutung von Ordnungsmodellen und deren Rituale übereinkommt, mit denen die Menschen der Welt und ihrer „Geworfenheit“ begegnen und zu beeinflussen suchen.

Zugleich begegnet er damit einer Gegenwart, die sich ihrer existenziellen sinn,- identität-, kultur-, gesellschaft,- orientierung- und haltstiftenden Ordnungsmodelle als „überholte Prinzipien“ entledigt zu haben scheint und dieses Vakuum nun stellvertretend mit dem Lärm eines immer fundamentalistischeren wie oberflächlich-narzisstischeren Aktionismus zu übertönen und zu betäuben versucht.
Einem Lärm, dem Zaman die Besinnung eines prinzipiellen Nichthandelns entgegensetzt, mit dem er sich bewusst wie exemplarisch aus dem Spiel nimmt; das sich darin allerdings als substanzielles Handeln in die Tiefe erweist.

Zaman, der selbst zur Hälfte indischer Abstammung ist, folgt dabei grundsätzlich der Betrachtungsweise der Upanishaden – jener bereits zwischen 700 und 200 v.Ch. niedergeschriebenen (als mündliche Überlieferung noch deutlich älteren) Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus -, die auch den Buddhismus sowie andere, oft mystische Ansichten und Strömungen östlichen Denkens grundlegend beeinflusst hat.

Diese gründet auf einer monistischen Vorstellung eines „immanenten“ Prinzips, das auf der Tiefenebene eines irreduziblen Seinsgrund alles vereint und durchdringt und – im Gegensatz grundsätzlich transzendent gedachter Ordnungsmodelle – erst dadurch seine Transzendent erfährt. Zaman umschreibt dies als „das Allgegenwärtige, das sich in seiner Allgegenwärtigkeit verbirgt“, aber in seiner Immanenz als Urgrund erfahrbar bleibt.

„Erfahrbar“ bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch keine aktive Handlung der Durchdringung, sondern eine Versenkung, ein „Sich-hinein-Verlieren“. Insbesondere, da der/die Betrachtende selbst im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Was kann ich überhaupt wissen? Und diesbezüglich erweist sich das Subjekt eben als Bedingung, vielmehr aber als Bedingtheit. Denn was immer wir betrachten, uns erklären, modellieren, bebildern und benennen, ist nicht das, was es ist, sondern bloß das, was es ist, wenn wir es betrachten, uns erklären, modellieren, bebildern und benennen. Es ist das Produkt unserer Projektionen – das zudem eine (transzendente) Trennung von Subjekt und Objekt manifestiert -, bei denen Halt zu machen und sie für wahr zu nehmen, sich letztlich als Täuschungen des Selbst erweisen muss.

Wie in allen Fällen ähnlich gerichteter Meditationspraktiken der Versenkung und des „Selbst-vergessens“ geht es also um die Auflösung des Selbst, um die Entleerung subjektiver Projektionen zugunsten einer Leere, die sich in Folge als „wahre“ Fülle erweist und um die Versenkung eines Findens im Finden anstatt der Täuschung einer subjektiven Suche.

Schließlich geht es um die künstlerisch-kultische Praxis einer Leerformel im Ausdruck formalisiert-ritueller Wiederholungen, die seine seriellen Arbeiten (die formal und ästhetisch deutliche Referenzen auf sein indisches Erbe aufweisen) auch semiotisch über sich hinausweisen lassen, indem diese weniger sich selbst als vielmehr die Zwischenräume, Zwischentöne und subtilen zeitlichen, wie formalen Unterschiede betonen. Als ein Versuch, etwas Vorgeordnetes, Vor-begriffliches und Vor-Bildliches plastisch werden zu lassen, das nicht gezeigt werden und über das man nicht sprechen kann.

* Byung-Chul Han, In: „Vom Verschwinden der Rituale“, Ullstein 2021
Text: MMag.Dr. Johannes Rauchenberger, Leiter KULTUM Graz.