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Der Nullpunkt aus der Gleichung Finden minus Suchen

Daniel Amin Zamans „Zamanismus“: Eine „Heilslehre“ als Existenzform.

(MMag. Dr. Johannes Rauchenberger)

Leicht, ironisch und ernst, mit einer geschliffen schönen Sprache, die sich aber selbst in ihrer pathetisch erscheinenden Bedeutung dennoch aufzulösen scheint: Daniel Amin Zaman ist ein Meister der Aufhebung von Gegensätzen. Am Kultischen von jeher interessiert macht er sich auf den Weg, das „Östliche“ und das „Westliche“ seiner Herkunft in ihm zu vereinen. Dabei nimmt er auch die Christusfigur mit, lässt an Nietzsche denken und ebenso an Zarathustra. Der „Zamanismus“, die getarnte „Heilslehre“ als Kunstform, ist in Wirklichkeit eine Antwort auf die ungelösten Probleme von heute – er zeigt sich in der Formel Finden minus Suchen. 

Der Künstler als Alter Christus: Diese Chiffre, seit Albrecht Dürer eingeführt, und im Laufe der Kunstgeschichte bis herauf in die Moderne immer wieder pathetisch überzogen, ist für den in Wien lebenden Künstler Daniel Amin Zaman natürlich Ironie. Dennoch, oder gerade deshalb, scheut er sich nicht in diese Fährten einzusteigen. „Ecce Zaman“ präsentiert sich als Heilslehrer, dessen Wunde an der rechten Hand mit rotem Lippenstift aus seiner linken geschminkt ist. Der Künstler als Versager im Heilsversprechen seiner Kunst – nicht ohne Pilatus’ Frage dabei zu vergessen, die ganz nah beim originären „Ecce homo“ ausgestoßen wurde: „Was ist Wahrheit?“ Zaman treibt in seiner Kunst ein fortwährendes Spiel der Aufhebung, nicht um auszulöschen, sondern um darin die einzige Möglichkeit darzustellen, künstlerisch tätig zu sein. „Denn das Bedeutungsvolle kann erst dann wahrlich bedeutungsvoll wer- den und sein, wenn es seine Bedeutung verloren hat.“1 Das ist ein Satz aus Zamans „Zamanismus“. Im Ton der uralten Weisheitslehrer stellt er seine „Heilslehre“ vor: Sie ist der Schlüssel zur Überwindung all jener Bedeutungsprojektionen und reproduzierten Stereotype unseres suchenden Selbst, die verschleiern und es folglich zu verlieren gilt. Der Zamanismus setzt, von der phonetischen Anspielung bis hin zum entlehnten Pathos seiner zu einem losen Manifest kanonisierten Lehr-Aussagen, ganz bewusst und nachdrücklich auf ein ironisches Augenzwinkern. Jedoch nicht, weil alles nicht so ernst gemeint wäre, sondern gerade weil es so ernst ist, dass es wieder ironisch sein muss: Nicht Nietzsche, nicht Christus, nicht Buddha (und doch sie alle auch), sondern der Zamane spricht. Seine Kost ist nicht leicht und dennoch süß, so werden die „seelisch Armen“ in einer Textarbeit bei ihm zwar nicht gepriesen, dafür aber als vergeistigt vorgestellt, was auch immer diese Änderung des Aggregatszustands konkret bedeuten mag. Eine Abwandlung der Bergpredigt ist dieses Zustandspassiv zudem nicht nur im Sprachklang, sondern auch in der faktischen Gestalt: Dort lautete das Aktiv nämlich: „Selig sind die Armen im Geiste“ (Mt 5, 3). Dort wie da ist der Lohn durchaus vergleichbar: Der Zustand der Vergeistigung hier und das Himmelreich dort. Der Zamanismus ist als Lehre und gelebter Vollzug Ausdruck (nicht als abstrakt-faktischen Erklärung) einer ununterscheidbar künstlerisch-kultischen Praxis und Erlebbarmachung: „Nur wer nicht zu finden sucht, wird finden, was er zu finden hofft(e).“ Oder anders: „Wer verliert, der wird gewinnen.“ Im Nullpunkt des Zamanismus löscht sich die (östlich) immanente Betrachtungsweise eines Findens und die (westlich) transzendente Betrachtungsweise eines Suchens aus. Darauf läuft diese „Heilslehre“ im philosophischen Sinne hinaus: Eine Auflösung der Gegensätze im Nullpunkt. „Der ZAMANIS- MUS ist eine ununterscheidbar künstlerische wie kultische Praxis. Und darin ununterscheidbar der gelebte Vollzug und Ausdruck seiner selbst, sowie seiner Lehre von der Überwindung auf ein Finden hin, das sich selber findet.“ 

Daniel Amin Zaman trägt seit jeher „ein eigentümliches Interesse an Kontemplation, eine Affinität für ‚kultische‘ Orte, ein Bedürfnis nach Entschleunigung und Achtsamkeit und eine Suche nach einer entsprechenden künstlerischen Praxis“ in sich. 

Er fragte sich zunehmend nach dem Woher. Seine künstlerische Praxis ist für ihn immer ununterscheidbar auch „kultische“ Praxis. Die Hälfte seiner Seele atmet indisch, Zamans Vater war aus Indien nach Österreich emigriert. Nach dessen Tod begann er sich intensiv mit dieser doppelten Herkunft aus Ost und West auseinanderzusetzen. Was pathetisch-ironisch in „Ecce Zaman“ ins Bild gesetzt wird, teilt der Künstler als Schicksal einer „Post-Migrations-Bedingung“ freilich mit immer mehr Menschen unter uns. Zamans Östliches und westliches Denken zu verbinden ist nicht neu, sie aber zum künstlerischen Konzept zu machen, wie es Daniel Amin Zaman an sich exerziert, verdient einen besonderen Raum der Präsentation. Schließlich stellen Selbstgewissheiten und ungeahnte Selbstansprüche auf dem Spiel. Er eröffnet den BetrachterInnen Assoziationsräume, die eine neue Achtsamkeit befördern könnten. 

Auf seiner nun schon Jahre währenden künstlerisch-philosophisch-kultischen Reise zwischen dem östlichen und westlichen Weltbild nimmt Daniel Amin Zaman in Anspruch, seine Gleichung „Finden minus Suchen im Nullpunkt“ auszuloten: „Wer such(e)t, der findet nicht – der erfindet.“ Denn: „Nur wer nicht zu finden sucht, wird finden, was er zu finden hofft(e).“ Dabei nimmt er auch vertraute Bilder und Sätze mit. Er setzt in seiner „Heilslehre“ auf die Selbsterkenntnis: Oder an anderer Stelle: „Das Höchste, das sich solcherart erkennen lässt, ist die Selbst-Erkenntnis im Sinne der Erkenntnis, dass das suchende Selbst die Verschleierung dessen ist, was es zu finden erhoffte.“ 

Daniel Amin Zaman (sein zweiter Name „Amin“ hat den indogermanischen Stamm unseres „Amen“) tritt also als Weisheitslehrer und Prediger auf. Aber auch als Schmerzensmann. Als ein Verängstigter, der buchstäblich in die Hose macht: Seine inszenierte Lächerlichkeit ist beinahe schmerzhaft ernst. In seinem ironisch-ernsten Spiel mit der fundamentalen Infragestellung des neuzeitlichen Künstler-Ichs nimmt Daniel Amin Zaman auch die Christusfigur mit. Das Zusammenrufen der Schafherde bei Sonnenuntergang („calling the flock of sunset“) lässt einen Didgeridoo-artigen Klang ertönen – doch in Wirklichkeit ist es die Stimme Zamans, die in der Lage ist, Ober- und Untertöne gleichzeitig zu singen. Während der Schäfer seine Schäfchen ruft, ist derselbe Meister schweißgebadet in Angst zu sehen, nur mit der Unterhose bekleidet, die er durch- nässt: „Gethsemane“ ruft die verängstigte Figur Jesu vor seinen Todesqualen wach. Die Selbstperformance Zamans kippt jeweils von der Ironie erneut in den Ernst zurück. 

Hinter Zamans Arbeiten steht also ein Text: Der Zamanismus ist kein Manifest und dennoch im Stile Nietzsches formuliert: „Also sprach der Zamane…“ Er zeugt vom Anspruch einen Abgrund von Weltauffassungen zu überbrücken, oder, viel mehr noch, diese erneut zu stellen. Ironie und Ernst sind so dicht beieinander, dass kein Blatt dazwischen passt. 

„Denn die Wahrheit, die Erfüllung unserer tiefsten Sehnsucht und Erkenntnis unseres wahrhaftigen Ichs lebt unter uns, von uns unabhängig und unserer geschaffenen Wirklichkeit innewohnend. Sie ist ihr immanent und kann und muss nicht gesucht werden, da man nur suchen kann, was nicht schon da ist und im Suchen verschleiert wird. Sie kann nur gefunden we den in Selbst-Erkenntnis und im Vollzug eines Findens im Finden, das sich selber findet.“ 

Alle Zitate: Daniel Amin Zaman, Zamanismus.